* An einem der ersten Tage auf Karpathos wurde ich auf zwei Menschen aufmerksam. Ein Mann und eine Frau, beide jung, groß und sehr sportlich. Nebeneinander standen sie in
Badekleidung am Strand und blickten aufs Meer hinaus. Aphrodite könnte so ausgesehen haben, mit Apollo vielleicht. Während ich noch über griechische Götter nachsann, setzten sie sich in den Sand.
Ich hörte ihr Lachen. Jeder für sich grub ein Loch, schaufelte mit den Händen und wühlte tiefer. Ernsthaft und konzentriert wirkten sie nun, als hätten sie eine Aufgabe zu erfüllen.
* In der Fußgängerzone in Pigadia betrat ich einen Souvenirladen. Vielleicht würde ich ja noch eine Kleinigkeit als Mitbringsel finden. Der ältere Herr hieß mich freundlich
willkommen. Wir wechselten ein paar Worte über das Wetter. Ich wählte Ohrringe mit Perlmutt und verzichtete darauf, sie zu probieren, da sie ja ein Geschenk seien. Oh, dann bräuchte es natürlich
eine besondere Verpackung. Er nahm eines der bunten Säckchen, fragte währenddessen nach der Empfängerin und machte sanfte Komplimente. Fast nebenbei zeigte er auf die Vitrine mit wirklich
außergewöhnlichem griechischem Schmuck. Silber sei es, ein Bekannter fertige die Einzelstücke. Er entwirrte sorgsam die Lederbänder der Anhänger, für die ich mich interessierte, drehte mich sacht
zum Spiegel und legte mir die Ketten um. Schweigend sahen wir mich an, er sagte kein Wort, nickte nur. Ich entschied mich für ein besonderes Stück und zahlte mehr, als ich geplant hatte. Beim
Gehen fühlte ich mich beschenkt.
* Während des Mittagessens beobachtete ich die Menschen am Strand. Ein Paar lag auf seinen Liegen. Der Mann auf dem Rücken in der prallen Sonne, die Frau auf dem Bauch im
Schatten des Sonnenschirms. Beide hatten schon eine deutlich rötliche Tönung. Eine Gruppe von offensichtlich Neuangekommenen mit blasser Haut stand knietief im Wasser und prostete sich immer
wieder mit Bierdosen zu. Ein Stückchen entfernt ließ sich ein großer, kräftiger Mann in die Wellen fallen. Er schwamm kurz in Richtung Ufer und krabbelte dann langsam weiter, ohne aufzustehen. Er
genoss offenbar die Brandung, die ihn umspülte, drehte sich vom Bauch auf den Rücken und wälzte sich zurück in Bauchlage. Mit ausgebreiteten Armen lag er im Wasser. Ich fühlte mich wie ein
Voyeur, als ich ihm zuschaute.
* Das Publikum bei dem kleinen Konzert war auf mehrere Tische verteilt. Der Sohn des Hauses eilte hin und her, nahm Bestellungen auf und brachte die Getränke. Nach jedem Stück
wurde applaudiert. Mittendrin kam ein älterer Mann in den Raum. Er war braungebrannt und hatte dichtes weißes lockiges Haar, vielleicht einer der Fischer. Er setzte sich an einen der Einzeltische
am Rand. Entgegen meinen Erwartungen bekam er kein Bier, sondern eine Schale mit zwei Kugeln Eis. Ohne aufzuschauen löffelte er und sprach kein Wort. Als ich nach dem nächsten Applaus wieder zu
ihm hinsah, war er gegangen. Sein Platz war leer.
© Christine Todter, 18. 7. 2023, Karpathos
Pelargonien
Bienen suchen Blütenstaub
Sommergold Honig
Sprung in die Wellen
Salzwasser in den Augen
pure Erholung
Kreativsommer
alle zählen Silben nach
himmlische Haikus
© Christine Todter, Juli 2023, Karpathos
Die Begegnung
Zu fünft sitzen wir im Auto und machen eine Rundreise über die Insel. Auf dem Weg nach Menetes bleiben wir bei einer kleinen griechisch-orthodoxen Kirche stehen. Es wird beschlossen, dass wir uns das Innere des Gebäudes ansehen. Gezwungenermaßen gehe ich mit hinein, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Das Christentum ist für mich eine schaurige Glaubensgemeinschaft, allen voran die römisch-katholische Kirche, dicht gefolgt von der griechisch-orthodoxen. In jeder noch so schönen Kirche, die ich besuche, sehe ich dieses Vorurteil bestätigt. Wohin man auch blickt, gefolterte Heilige, Jesus ans Kreuz genagelt, und dazwischen gestreut die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind. Wahrscheinlich, damit die Kinder nicht schreiend aus der Kirche flüchten! Ich trete mit einigem Unbehagen ein und befinde mich sofort vor einem Abbild Johannes des Täufers. Man kann den Armen immer daran erkennen, dass sein enthaupteter Kopf irgendwo im Bild dargestellt wird. In diesem Fall befindet er sich in einem Korb zu seinen Füßen. Mir gruselt es und ich fliehe aus der kühlen Kirche hinaus in die Sonne. Vielleicht wegen der Aufregung meldet sich meine Blase. Ich muss ein Open-Air WC finden. Ich gehe hinter der Kirche ein Stück den Berg hinunter und finde einen geeigneten Felsen, hinter dem ich mein Geschäft verrichten kann. Im Hintergrund erstreckt sich eine Bergkette – eine Toilette mit Aussicht sozusagen, was will man mehr! Meine Eltern waren mit mir als Kind nie wandern und das zeigt sich jetzt. Während mir beim Hocken schon die Hose um die Knöchel schlackert, höre ich ein wütendes Zischen von dem Stein vor mir. Eine Schlange mit sehr ausgeprägtem kettenartigem Muster schlängelt sich hervor. Auge in Auge mit einem tödlichen Raubtier! Lange Zeit, es kommt mir zumindest so vor, starren wir uns an. Mir kommt der Gedanke, dass ich in der Kirche doch nicht so lästern hätte sollen und dass ich mir ein würdevolleres Ende wünschen würde als beim Klo Gehen von einer Schlange gebissen zu werden. Was tun? Wegrennen geht nicht, weil ich mich mit der Hose sozusagen selbst gefesselt habe. Die Hose hinaufzuziehen könnte die Schlange als Drohung empfinden und ich will sie auf keinen Fall provozieren. Ich verfluche meine Eltern, weil sie mir nicht beigebracht haben, wie man sich in den Bergen in Bezug auf Schlangen benimmt. Mir fallen keine passende Natur-Dokus ein. Was ich über wilde Wölfe und Grizzlys gehört habe, passt nicht wirklich zu meiner Situation.
Während ich verzweifelt nachdenke, brüllt plötzlich vom Parkplatz her jemand meinen Namen. Vor lauter Schreck fall ich nach hinten um und die Schlange verschwindet blitzschnell zwischen den Steinen. Einen Moment lang bleibe ich erleichtert sitzen, dann ziehe ich die Hose hinauf und laufe zurück zum Auto.
Nass und kühl umringt
Kosmische Strahlen wärmen
Schwerkraft hält mich fest
Den Blick auf das Meer
Salz und Wasser befreien
Schwerkraft hält mich fest
Lass Müßiggang zu
faul sein zelebriere ich
Nichts tun ist das Ziel
© nat.copatch
Kurt erzählt etwas
über die Leute Lefkos’
ist interessant
Die Bar in Lefkos
höre jetzt gute Musik
soll ich mehr wollen
Ein schöner Morgen
der Tag kann jetzt beginnen
wie gut das schon ist.
Was ich mir vornehm
keine Haikus mehr schreiben
für meinen Frieden.
© Wolfgang Pechlaner, Lefkos 2023